solothurner kantonalbank.
Diese «unverhältnismässige Staatsgarantie» war 1882 Anlass für die Motion des erst 30-jährigen, frisch in den Kantonsrat gewählten von Arx: «Der Staat sollte die Bank ganz haben, denn der Staat kommt zu kurz», befand er. Nach heftigem Widerstand der Privataktionäre und ebenso heftigem Abstimmungskampf wurde die so genannte Bankreform (Gesetz über die Errichtung der Kantonalbank) 1885 in einer Volksabstimmung mit 80 Prozent Ja-Stimmen angenommen.
Risikoreiche Kredite und Vertrauensduselei In zahlreichen anderen Kantonen waren bereits früher aus gemischtwirtschaftlichen Banken rein staatliche Kantonalbanken entstanden, so etwa 1867 in St. Gallen oder 1870 in Zürich. Die erste Kantonalbank überhaupt war die 1834 gegründete Berner Kantonalbank. Damit hatte sich das Staatsverständnis einer neuen Generation Freisinniger durchgesetzt, doch im Fall Solothurn wog das Erbe schwer. Die neue Bank hatte von den genannten Vorgängerbanken deren Aktiven, einschliesslich zweifelhafter Kredite, übernommen. Casimir von Arx hatte die finanzielle Schieflage der beiden Banken, vor allem der Hypothekarkasse, schon 1882 angeprangert: «Gerüchte über unverhältnismässig hohe Forderungen an finanziell schwache Firmen wurden […] immer offener herumgeboten», schreibt er in seinen Memoiren. Im Vorfeld der Fusion war die Finanzlage der beiden Anstalten viel zu günstig beurteilt worden, dabei hatten die beiden Direktoren die Bilanzen geschönt, risikoreiche Kredite gewährt und zwingend notwendige Abschreibungen unterlassen. Die Aufsichtsbehörden auf der anderen Seite hatten, so von Arx, «eine unbegreifliche Sorglosigkeit und Vertrauensduselei» an den Tag gelegt. Nun erhob der Kanton Schadenersatzklage gegen die beiden Direktoren Simon Kaiser und Leo Niggli wegen Kompetenzüberschreitung, Zuwiderhandlung gegen erhaltene Weisungen der Aufsichtsbehörden und unentschuldbarer Fahrlässigkeit bei der |
Annahme von formell mangelhaften Faustpfandverschreibungen. Doch zu spät.
Gefälschte Bücher, frisierte Bilanzen Es kam der heisse Frühling 1887, der immer neue, überraschende Enthüllungen brachte. Im verspätet publizierten erstenGeschäftsbericht fanden sich nebulöse Aussagen über noch nicht berücksichtigte Abschreibungen auf den Hypotheken und Liegenschaften des hohen Engagements bei der Solothurner Uhrenfabrik J. Roth & Cie. Die Hypothekarkasse und danach die Kantonalbank hatten dieser Firma Kredite, teilweise Blankokredite, in der Höhe von insgesamt 2 Mio. Franken gewährt, obwohl sich das Unternehmen nur über weniger als 100'000 Franken Eigenmittel ausweisen konnte. Dies hatte man zu verschleiern versucht. Die Revisoren der Hypothekarkasse, die in ihrem Bericht an den Verwaltungsrat auf dieses Missverhältnis hatten aufmerksam machen wollen, hatte man mit der Bemerkung zurechtgewiesen, sie hätten nur die formelle Richtigkeit der Buchungen zu prüfen, nicht aber über die Höhe und die Bonität der vorhandenen Engagements zu urteilen. Trotz aller Bemühungen war die Firma J. Roth & Cie. nicht mehr zu retten. «Wie ein Blitz aus heiterem Himmel» traf ihr Zusammenbruch den Kanton. Der Verwaltungsausschuss des Bankrats und die Direktoren der Kantonalbank reichten ihre Demission ein. Nun handelte, nach anfänglichen Beruhigungsversuchen, endlich auch der Regierungsrat. Er reichte im April 1887 gegen die beiden Teilhaber der Firma Roth & Cie., Josef Roth-Bloch und Josef Adler, sowie gegen den früheren Direktor der Hypothekarkasse, Leo Niggli, Strafklage auf Betrug und Fälschung ein und forderte ihre Verhaftung. Die von der Gläubigerversammlung der Firma J. Roth & Cie. ernannten Experten verlangten, dass die Strafklage auch auf Regierungsrat Jakob Sieber ausgedehnt werde. Dieser war als Finanzdirektor nicht nur von Amtes wegen Mitglied der Bankkommission, sondern hatte sich im |
Nebenerwerb auch als Buchhalter der Firma Roth & Cie. betätigt. Er hatte in dieser Funktion die Bücher eigenhändig gefälscht und den Banken frisierte Bilanzen vorgelegt. Am 23. April 1887 wurde Sieber in der Nachmittagssitzung des Regierungsrats zur Demission gedrängt und gleichentags erfolgte seine Verhaftung und diejenige der anderen drei Verdächtigen.
1000 Mann protestierten in Solothurn Was der neuen Kantonalbank als feste Grundlage hätte dienen sollen, sei von«Börsenjobbern und Schwindlern verjuxt worden», resümierte das Oltner Wochenblatt und forderte eine Totalrevision der Verfassung. Dies war auch der Tenor einer Protestversammlung von über 1000 Mann in Solothurn. «Es muss anders regiert werden», brachte Casimir von Arx das Anliegen auf den Punkt. Es kam zu einer Totalrevision der Verfassung, die bereits am 23. Oktober 1887 vom Volk mit 7362 gegen 2116 Stimmen angenommen wurde. Das Kapitel Bankskandal konnte indessen erst 1891 mit der Saldierung des Liquidationskontos geschlossen werden. Nun war auch klar, was der Kanton für die Rettung der Kantonalbank hatte hinblättern müssen. Es waren 2,5 Mio. Franken, je nach Umrechnungsmethode entspricht das heute einem Betrag von knapp 30 Mio. Franken. Casimir von Arx wurde im Herbst 1887 nicht nur in den Ständerat gewählt, er wurde auch Präsident der Bankkommission der Kantonalbank bzw. des Bankrats, wie das Gremium von 1895/96 an hiess. Nach erfolgreicher Konsolidierung der Bank trat er 1929, zwei Jahre vor seinem Tod, zurück. In einer Würdigung seiner Verdienste im Kantonsrat sagte Max Obrecht, Sprecher der Staatswirtschaftskommission: «Wir wollen Herrn von Arx aber vor allem versprechen, zu seinem Werk, zur Kantonalbank, Sorge zu tragen, sie in seinem Sinne zu erhalten zu Nutz und Frommen des ganzen Solothurner Volkes.» Was aus diesem Versprechen wurde, zeigte sich dann 1994. |
* Verena Schmid Bagdasarjanz ist Autorin der Biografie: Der Zukunft eine Bahn zu brechen. Casimir von Arx (1852–1931). Oltner Titan, Solothurner Ständerat und erster Verwaltungsratspräsident der SBB, Chronos Verlag, Zürich 2021.
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